Europäische Stoffpolitik

Wieviel Chemie braucht der Green Deal?

23. Februar 2022 | Bericht

Am 8. Februar fand das industriepolitische Podium "Wieviel Chemie braucht der Green Deal? Perspektiven der europäischen Stoffpolitik" in der Hessischen Landesvertretung bei der Europäischen Union statt. Eine Rekordteilnehmerzahl von fast 300 zeichnete sich schon vorher ab. Es war die erste größere politische Veranstaltung zu einem Thema, das seit Verkündung des Green Deal durch die Europäische Kommission hauptsächlich in Expertengremien diskutiert wurde.

Industriepolitisches Podium: Wieviel Chemie bracht der Green Deal? (Zusammenschnitt) © VCI Hessen

Die Hessische Europaministerin Lucia Puttrich betonte die sehr gute und langjährige Kooperation mit dem VCI Hessen. Die chemische Industrie sei eine der Säulen einer stabilen Entwicklung in Hessen. Sie werde auch eine Schlüsselrolle für eine gelungene Transformation spielen. Das große Interesse von Stakeholdern zeige sich an den knapp 300 Anmeldungen zu der Veranstaltung.

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Nicola Beer (FDP) stellte die industriepolitische Relevanz des Green Deal heraus. Zu Beginn des Jahres habe die Mitteilung der Europäischen Kommission zur sog. „Taxonomie“ für Aufmerksamkeit gesorgt. Sie sehe dieses Gestaltungskonzept kritisch. Eine Aufteilung in innovative und alte, klassische Industrie sei nicht der richtige Ansatz. Stattdessen müsste die Lissabon-Strategie wieder belebt werden, die einst das Ziel ausgerufen hatte, Europa bis 2010 zum weltweit innovativsten Wirtschafts- und Technologiestandort zu machen.

Für die Europäische Kommission erklärte der stellv. Generaldirektor der GD Umwelt Patrick Child: Die Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit enthalte eine klare Vision für eine treibhausgasneutrale Zukunft. Innovative Chemikalien könnten dabei einen wesentlichen Beitrag leisten. Die Kommission wolle den Transformationspfad mit der Industrie, nicht gegen sie gehen. Die vom europäischen Chemieverband CEFIC durchgeführte Folgenabschätzung sei in der Bewertung sehr hilfreich. Die EU wolle eine globale Führungsrolle wahrnehmen. Förderprogramme wie beispielsweise der EU-Innovationsfonds in Höhe von 10 Milliarden Euro sollten die Gesetzgebung flankieren.

Die Europaabgeordnete Jutta Paulus (Die Grünen) formulierte das Ziel einer nicht nur treibhausgasneutralen, sondern auch schadstofffreien Umwelt. Chinesische Besucher staunten, dass wir teilweise aus unseren Bächen trinken könnten. Man habe also schon Einiges erreicht, merkte sie an. Wir müssten aber auf diesem Weg konsequent weitergehen, am besten aber mit der Industrie gemeinsam. Eine Verlagerung von Pharma-Produktion in das nichteuropäische Ausland habe ökonomisch und ökologisch geschadet. Wir müssten aus den Schwächen lernen, die sich in der Pandemie gezeigt hätten.

Sanofi-Geschäftsführer Matthias Braun und Mitglied im Vorstand des VCI Hessen sprach sich dafür aus, die innovative Stärke der Chemie für die Transformation zu nutzen. Es dürfe keinen zu großen Unterschied zwischen den EU-Regelungen und den entsprechenden Regeln in den anderen großen Wirtschaftsräumen in Asien und Nordamerika geben. Andernfalls drohe ein „Chemical Leakage“, das Europa ökonomisch schade und ökologisch keinen Nutzen bringe. Globale Unternehmen hätten Ausweichmöglichkeiten und nutzten diese auch. Die Regelungen der Stoffpolitik sollten auch KMU berücksichtigen, welche die Mehrzahl der VCI-Mitglieder stellen. Über das gemeinsame Ziel der Transformation bestehe Einigkeit, der Weg dorthin müsse aber diskutiert werden. Mit Verboten für professionell verarbeitete Stoffe sei nichts gewonnen, wenn man keinen gleichwertigen Ersatz habe.

Die Vorsitzende der IGBCE Hessen-Thüringen Sabine Süpke erläuterte: 140.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien in der Produktions- und Lieferkette der chemischen Industrie und der Weiterverarbeitung in Hessen tätig. Deren hohe Kompetenz und Motivation sollten wir nutzen, statt mit Produktverboten Verlagerungen Vorschub zu leisten. Industrie sei Teil der Lösung, nicht Teil des Problems.

Der VCI und die IGBCE haben eine gemeinsame Position zur EU-Chemikalienstrategie veröffentlicht.

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RA Gregor Disson

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