Studie „Stoffstrombild Kunststoffe"

Deutsche Kunststoffindustrie steckt in der Krise

21. November 2024 | Pressemitteilung

Die Studie „Stoffstrombild Kunststoffe" ist ein Warnsignal für den Wirtschaftsstandort.

Auftraggeber der Studie ist die BKV GmbH mit Unterstützung der hier gezeigten Partner. © VCI
Auftraggeber der Studie ist die BKV GmbH mit Unterstützung der hier gezeigten Partner. © VCI

Die Studie „Stoffstrombild Kunststoffe" gibt alle zwei Jahre Aufschluss über Produktion, Verarbeitung und Kreislaufführung von Kunststoffen in Deutschland. Über alle Bereiche hinweg sind 2023 Rückschläge zu vermelden: Damit verliert die deutsche Kunststoffindustrie an Boden. Für Standort und Transformation sind das schlechte Nachrichten: Die anhaltend schlechte Konjunktur in Deutschland führt zu geringeren Herstellungs- und Verarbeitungsmengen und gefährdet die Transformation der Kunststoffindustrie zur Kreislaufwirtschaft.

In Deutschland werden weniger Kunststoffe hergestellt, verarbeitet und recycelt

Die Kunststoffproduktion ging im Vergleich zu 2021 um 17,6 Prozent zurück. Obwohl die Nachfrage nach Kunststoffen international wächst, wurden in Deutschland 2023 rund 8,5 Prozent weniger Kunststoffe verarbeitet als 2021. Steigende Kosten für Energie und Produktion, häufige Änderungen der politischen Zielvorgaben und steigende Bürokratielasten verhindern häufig die für eine Kreislaufwirtschaft dringend erforderlichen Investitionen in die Modernisierung und den Ausbau von Anlagen in Deutschland.

Große Potenziale fürs Recycling bleiben noch ungenutzt

Trotz des Produktionsrückgangs hat sich der Einsatz von recycelten Kunststoffen in der Kunststoffverarbeitung in Deutschland im Erhebungszeitraum von 2021 bis 2023 jährlich im Durchschnitt um 8,2 % erhöht. Der Anstieg erfolgte vor allem im Jahr 2022, ausgelöst durch hohe Rohölpreise, und ging 2023 konjunkturbedingt wieder zurück. Der Rezyklateinsatz aus Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfällen betrug rund 1,93 Mio. t. Daneben wurden rund 0,5 Mio. t an Nebenprodukten wiederverwendet. Insgesamt betrug der Anteil von eingesetztem Kunststoffrezyklat (aus Post-Consumer und Post-Industrial Abfällen) an der Verarbeitungsmenge in Deutschland 2023 ca. 15 Prozent. Das unterstreicht die wachsende Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für die Kunststoffindustrie in Deutschland und zeigt klare Fortschritte im Recycling und der Wiederverwertung von Kunststoffen. Dennoch bleiben weiterhin große Potenziale fürs Recycling ungenutzt: So ist der Anteil der Kunststoffe, die energetisch verwertet werden, mit 3,6 Millionen Tonnen im Jahr 2023 immer noch zu hoch.

Innovationskraft der Industrie trotzt Standortnachteilen

Der Einsatz recycelter Rohstoffe nimmt in Deutschland trotz schwieriger Standortbedingungen weiter zu. Die Unternehmen der Wertschöpfungskette Kunststoff in Deutschland arbeiten weiter mit hoher Innovationskraft an der Transformation zur Kreislaufwirtschaft. Gleichwohl setzt der Erfolg der Transformation gute Rahmenbedingungen für die Kunststoffindustrie voraus: Wettbewerbsfähige Energiekosten, realistische und verlässliche regulatorische Rahmenbedingungen für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur für sortenreine Sammlung und Sortierung sowie die mechanische und chemische Aufbereitung von Kunststoffabfällen.

Auftraggeber der Studie

Das Stoffstrombild wird von der Conversio Market & Strategy GmbH erstellt. Auftraggeber der Studie ist die BKV GmbH mit Unterstützung von PlasticsEurope Deutschland e. V., der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V., der bvse – Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V., der VDMA e.V. Kunststoff und Gummimaschinen, die IK – Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e. V., der KRV – Kunststoffrohrverband e. V., VinylPlus Deutschland e.V., der GKV – Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e. V. AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e. V., FSK – Fachverband Schaumkunststoffe und Polyurethane e.V., TecPart – Verband Technische Kunststoff-Produkte e. V., pro-K Industrieverband langlebige Kunststoffprodukte und Mehrwegsysteme e. V., der IG BCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, sowie dem VCI – Verband der Chemischen Industrie e.V. Die Management-Summary und eine Langfassung der Studie „Stoffstrombild Kunststoffe“ sind auf der Website der BKV GmbH erhältlich.

Das sagen die Verbände zum Stoffstrombild 2024

Zitat von Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI)

„Leider sind auch die Ergebnisse der Studie Stoffstrombild ein Warnsignal für den Industriestandort und seine Transformation zur Klimaneutralität. Die Kunststoffindustrie verliert an Boden. Kleine Erfolgsmeldungen beim leicht steigenden Einsatz recycelter Rohstoffe entsprechen bei weitem nicht den hochgesteckten Zielen. Es werden immer noch zu viele wertvolle Kunststoffabfälle verbrannt. Und auch wir wollen mehr: Den Kohlenstoff, zentraler Baustein vieler Produkte des Alltags und der Transformation, als Rohstoff zurückgewinnen. Technologische Lösungen wie das mechanische Recycling sowie das Innovationspotenzial aus chemischem Recycling sind da. Jetzt brauchen wir endlich die richtigen Rahmenbedingungen am Standort, um die PS auf die Straße zu bekommen. Das sind vor allem: konkurrenzfähige Energiekosten, schnellere Genehmigungsverfahren und die konsequente Anerkennung von chemischem Recycling als Recyclingoption.“

Zitat von Dr. Elmar Witten, Geschäftsführer, AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e. V.

„Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft kann nur gelingen, wenn für das Recycling von Kunststoffen Märkte geschaffen werden. Entsprechende Technologien sind meist schon vorhanden, es mangelt an einem funktionierenden Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Hier kann und sollte auch die Politik unterstützen.“ Dr. Elmar Witten, Geschäftsführer, AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e. V.“

Zitat von Dr. Andreas Bruckschen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V.

„Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass die Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen kein Selbstläufer ist. Ökonomische Anreize und kluge politische Rahmenbedingungen hätten längst umgesetzt werden müssen, um ein internationales Level-Playing-Field zu garantieren. Wollen wir ein Massensterben des deutschen Recyclings vermeiden, muss jetzt gehandelt werden, um Infrastruktur und Arbeitsplätze am Standort Deutschland zu erhalten.“

Zitat von Dr. habil. Thomas Probst, Referent Fachverband Kunststoffrecycling, bvse e.V.

„Kunststoffe sind ein unverzichtbarer Bestandteil einer modernen Gesellschaft, die häufig die Eigenschaften anderer Materialien verbessern oder übertreffen. Und dabei zeichnet sich das Kunststoffrecycling durch seine besondere Nachhaltigkeit aus: es reduziert den primären Kunststoffeinsatz, vermindert den Energieverbrauch bei der Verarbeitung und reduziert dabei auch noch die Emission von Treibhausgasen. Diese Vorteile des Kunststoffrecyclings finden immer noch zu wenig Aufmerksamkeit, werden auch wirtschaftlich zu wenig belohnt. Daher ist es höchste Zeit, das Kunststoffrecycling (2,3 Mio. To) zu fördern und den energetischen Anteil (3,6 Mio. To), hier insbesondere die Müllverbrennung (2. 1 Mio. To), weiter zu reduzieren. Kunststoffrecycling lohnt sich!“

Zitat von Klaus Jünginger Geschäftsführer des FSK – Fachverband Schaumkunststoffe und Polyurethane e.V.

„Wir wissen um die technischen Möglichkeiten im Kunststoffrecycling, auch für Werkstoffe wie Polyurethan, dessen Recycling vergleichsweise herausfordernd ist. Darüber hinaus laufen stetig neue Forschungs- und Entwicklungsprojekte an, um die enormen Potentiale im Recycling nutzbar zu machen. Wünschenswert ist hier das klare Bekenntnis sowohl der Branche, als auch der Politik und Gesellschaft. Die konsequente Weiterentwicklung der Möglichkeiten bis hin zu einem rentablen Wirtschaftsmodell auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Schaffung passender Rahmenbedingungen für das Recycling, von der Erfassung des Ausgangsmaterials, über konkurrenzfähige Energiepreise, unbürokratische Wirtschaftsförderung bis hin zu Anreizsystemen für den Einsatz von Recyclingmaterial – nur in diesem Zusammenspiel kann die Aufgabe gelingen, die Kunststoffindustrie zu einer Kreislaufwirtschaft zu transformieren.”

Zitat von Dr. Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. (GKV)

„Die Transformation der Kunststoffindustrie zur Kreislaufwirtschaft kommt bisher nur in kleinen Schritten voran. Wir brauchen einen neuen Aufbruch mit mehr Wirtschaftswachstum, damit die Unternehmen in die Kreislaufwirtschaft investieren können“, sagt Dr. Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. (GKV).

Zitat von Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IGBCE

„Unsere Beschäftigten in der Kunststoffindustrie erwarten eine klimagerechte Transformation ihrer Standorte und langfristige Arbeitsplatzsicherheit. Die positive Nachricht der Studie ist, dass dies möglich ist. Dank der wachsenden Bedeutung der Kreislaufwirtschaft hat die Kunststoffindustrie das Potenzial, Vorreiter einer smarten Transformation zu werden. Dafür muss sie aber die großen Potenziale für das Recycling noch deutlich besser nutzen.“

Zitat von Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer des IK – Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e. V.

„Die aktuelle Studie „Stoffstrombild Kunststoffe“ zeigt ein differenziertes Bild: Einerseits sieht sich die Branche insgesamt mit erheblichen Herausforderungen am Standort Deutschland konfrontiert, die sich in dem Rückgang der Menge an verarbeiteten Kunststoffen widerspiegeln. Andererseits belegen die Zahlen die Resilienz und Innovationskraft der Hersteller von Kunststoffverpackungen und -folien: Der Einsatz von recycelten Kunststoffen ist in den letzten beiden Jahren deutlich gestiegen – Rezyklate und nicht-fossilen Materialien in Verpackungen und Folien sind das neue Normal. Dies zeigt, dass diese überwiegend mittelständisch geprägte Industrie selbst unter schwierigen Rahmenbedingungen konsequent weiter in Richtung Kreislaufwirtschaft steuert."

Zitat von Markus Hartmann, Geschäftsführer des KRV – Kunststoffrohrverband e. V.

„Bereits seit 30 Jahren steht das Thema „Kreislaufwirtschaft“ im Fokus der Kunststoffrohr-Industrie und die verarbeiteten Mengen konnten in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert werden, was uns sehr freut. Unsere Industrie ist in der Lage deutlich größere Mengen an qualitativ hochwertigen Rezyklaten zu verarbeiten, wenn denn die entsprechenden Tonnagen auf dem Markt verfügbar wären. Es zeigt sich, dass Kunststoffrohre bis zu 100 Jahre (oder ggfs auch länger) im Einsatz sein können. Das ist ein starkes Nachhaltigkeitsargument. Bezogen auf die Kreislaufwirtschaft und einen geschlossenen Stoffkreislauf haben wir dadurch aber nur sehr limitierte Mengen an „Altrohre“ verfügbar, die für die Produktion von neuen Kunststoffrohren eingesetzt werden können.“

Zitat von Dr. Alexander Kronimus, Geschäftsführer von PlasticsEurope Deutschland e. V.

„Um die Kunststoffproduktion wieder in Schwung zu bringen, müssen Politik und Behörden der Industrie jetzt entgegenkommen. Genehmigungsverfahren müssen deutlich einfacher und schneller werden. Zudem braucht es starke Investitionsanreize für Technologien zur Kreislaufführung von Kunststoffen – etwa für zirkuläres Produktdesign, Biomasse, neue Recyclingmethoden und die Verwendung von CO₂ aus CCU.“

Zitat von Sven Weihe, Geschäftsführer des pro-K Industrieverband langlebige Kunststoffprodukte und Mehrwegsysteme e. V.

„Moderne Mehrweglösungen fördern die Ressourcenschonung, reduzieren Treibhausgase und unterstützen so den Klimaschutz. Kunststoffe bieten hier vielfältige Lösungen, die immer mehr zunehmen. Diesen Trend gilt es jetzt in den kommenden Jahren zu bestätigen.“

Zitat von Michael Weigelt, Geschäftsführer TecPart - Verband technische Kunststoff-Produkte e.V.

„Die Studie bestätigt, dass die Kunststoffindustrie die Kreislaufwirtschaft verbessert und die EU-Vorhaben zu Post-Consumer-Rezyklatquoten (PCR) gut gemeint sind, aber zum Aus eines Großteils der meist mittelständischen Recycler in Deutschland und wohl auch in Europa führen können. Um das „Aus“ zu verhindern, müssen Post-Industrial-Rezyklate als gleichwertig zu PCR anerkannt werden, auch um Rezyklatengpässe zu verhindern. Zudem muss es gelingen, dass der Rezyklatgehalt von importiertem Material geprüft werden kann, sonst droht der Markt mit zweifelhaften Rezyklaten weiter geflutet zu werden. Ein wesentliches, weil wirksames Mittel, einen höheren Rezyklatgehalt aus europäischer Produktion sicherzustellen ist, dass die Hersteller der Rezyklate von Abgaben und Kosten befreit werden, um so eine wettbewerbsfähige Alternative gegenüber jeglichen importierten Waren zu sein. Erste Schritte wären in Deutschland die deutliche Reduzierung (Streichung) der Netzentgelte und Senkung der Stromkosten für die Recycler.“

Zitat von Thorsten Kühmann, Geschäftsführer des Fachverbands Kunststoff- und Gummimaschinen im VDMA

„Mit neuer Recyclingtechnologie lassen sich die Mengen und Qualitäten recycelter Kunststoffe vervielfachen. Dazu müssen Investitionsanreize für Anlagenbetreiber geschaffen werden und die Energiekosten runter!“

Zitat von Thomas Hülsmann, Geschäftsführer von VinylPlus Deutschland e.V.

„Knapp hinter den Verpackungen ist der Baubereich das zweitstärkste Anwendungsgebiet für Kunststoffe. Die anhaltende Krise in der Bauwirtschaft führt nicht nur zu einem Sanierungsstau und einem Rückgang der dringend benötigten Neubautätigkeit. Vielmehr werden notwendige Investitionen ins Recycling von Bauprodukten aus Kunststoff zurückgehalten und so die Erfolge der vergangenen Jahre in diesem Segment konterkariert. Für wichtige Zukunftsinvestitionen in fortschrittliche Recyclingprozesse braucht es jetzt Berechenbarkeit und Planungssicherheit, auch in der Bauwirtschaft. Zumal sie vollkommen zu Recht als wichtiger Konjunkturmotor und Erfolgsfaktor für unser Land gilt.“

Der VCI und seine Fachverbände vertreten die Interessen von rund 2.300 Unternehmen aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie und chemienaher Wirtschaftszweige gegenüber Politik, Behörden, anderen Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft und den Medien. 2023 setzten die Mitgliedsunternehmen des VCI rund 245 Milliarden Euro um und beschäftigten über 560.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Kontakt: VCI-Pressestelle, Telefon: 069 2556-1496, E-Mail: presse@vci.de
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 Felix Lesche

Felix Lesche

Zirkuläre Wirtschaft, Kampagnen