- Datum
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08.04.2025
14:30 Uhr - 21:30 Uhr
- Ort
- Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union | Rue Wiertz 77, 1000 Brüssel
- Veranstalter
- VCI
- Kontaktperson
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Pierre Gröning
Geschäftsführung Europabüro Brüssel
E-Mail: groening@bruessel.vci.de
Elena Michels
Stellvertretende Leitung Hauptstadtbüro Berlin, Life Sciences
E-Mail: michels@vci.de
Is this the real deal – or is it just fantasy?
Nach dem Green Deal bastelt die Europäische Union an ihrem nächsten Deal: Mit dem Clean Industrial Deal soll die europäische Wirtschaftspolitik wieder deutlich stärker auf Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet werden. Trotz vielversprechender Ansätze bleiben Zweifel, denn der interventionistische Geist schwebt weiter durch die Europäische Kommission. Wie der Clean Industrial Deal zum Erfolg und die EU wieder ein Zugpferd für mehr Wachstum werden kann, diskutierten die Gäste auf unserem Parlamentarischen Abend Anfang April in der Vertretung des Freistaates Bayern bei der EU in Brüssel.
Flankiert wurde die Veranstaltung von einer Reihe interner Gremiensitzungen des VCI. Im oben eingebundenen Video und in unserer Bildergalerie (unten) haben wir einige Highlights des Tages zusammengestellt.
In seiner Rede zu Beginn der Veranstaltung betonte VCI-Präsident Markus Steilemann die Bedeutung der Europäischen Union für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Zwar sei die EU auch weiterhin ein wirtschaftliches Powerhouse. In den vergangenen Jahren habe der Green Deal die EU aber zu einem Irrgarten gemacht, in dem Unternehmen und Initiativen zunehmend auf der Strecke blieben. Steilemanns deutliches Plädoyer: „Europa muss die Planwirtschaft jetzt dringend hinter sich lassen.“
Stattdessen müsse die EU wieder auf das bewährte, aber zwischenzeitlich fast in Verruf geratene Konzept „Freiheit und Wachstum“ als Garant für Fortschritt und Wohlstand setzen. Die EU müsse ihre Standortbedingungen, z. B. bei Energiekosten, Innovationsklima und Bürokratie, verbessern, um die große Innovationskraft ihrer Wirtschaft entfalten zu können. Nötig sei außerdem ein marktwirtschaftliches Comeback, das Unternehmen wieder mehr Beinfreiheit für eigenverantwortliche Entscheidungen innerhalb ordnungspolitischer Leitplanken verschaffe.
Ob der Clean Industrial Deal dafür der Schlüssel sei, hänge von dessen konkreter Umsetzung ab. Für eine wirkliche Kehrtwende brauche es noch deutlich mehr als die bislang bekannt gewordenen Ansätze. Hierfür müsse sich auch die künftige Bundesregierung einsetzen, forderte Steilemann mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin: „Brüssel muss an der Spree endlich zur Chefsache werden. Wenn die Bundesregierung ihre Ziele umsetzen will, muss sie im Europäischen Rat zum Wachstums-Taktgeber werden.“
Keine Zeit mehr zu verlieren
Ekaterina Zaharieva, EU-Kommissarin für Start-ups, Forschung und Innovation, ließ in ihrer anschließenden Keynote keinen Zweifel daran, dass die EU-Kommission den Ernst der Lage verstanden habe und dem wirtschaftlichen Aufschwung Priorität einräume. Die Chemieindustrie sei dabei ein unverzichtbarer Eckpfeiler für viele andere Branchen. Als Top-Priorität für mehr Wettbewerbsfähigkeit nannte die Kommissarin Vereinfachung. Regulatorische Hürden und bürokratische Belastungen zügig zu reduzieren, müsse das gemeinsame Ziel der gesamten EU-Kommission sein. Schnelle Ergebnisse für eine bessere Politik seien nicht nur für die Industrie entscheidend, sondern auch für Akzeptanz des demokratischen Systems in der Bevölkerung.
Im weiteren Verlauf des Abends diskutierte VCI-Präsident Steilemann mit dem SPD-Europaabgeordneten René Repasi, dem IGBCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis sowie der CDU-Europaabgeordneten Andrea Wechsler darüber, wie Europa vom Standstreifen wieder auf die Überholspur kommen kann. Hier machte Steilemann nochmals deutlich, dass es gute Rahmenbedingungen brauche, um die Transformation zu meistern. René Repasi warb dafür, dass die EU alles auf die Karte „Forschung und Entwicklung“ setzen und z. B. den Zugang zu Fördermitteln massiv entbürokratisieren solle. Andrea Wechsler betonte, dass der Clean Industrial Deal nur ein erster Schritt sein dürfe. Sie zeigte sich optimistisch, dass der Druck von außen, z. B. durch die Zollentscheidungen der USA, dafür sorgen könne, dass die EU bei der Neuausrichtung ihrer Wirtschaftspolitik noch ambitionierter vorgehe. Wichtig sei es, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit zusammen voranzubringen, stellte Michael Vassiliadis klar. Dafür brauche es insgesamt einen realistischeren Kurs und eine große Portion Mut, um strukturelle Probleme an der Wurzel anzupacken.
Brüchige Weltordnung als Weckruf für die EU
Bereits am Nachmittag hatten im Rahmen des VCI-Hauptausschusses zwei Podiumsdiskussionen stattgefunden. Im Gespräch zwischen VCI-Präsidiumsmitglied Julia S. Schlenz und dem CDU-Europaabgeordneten Oliver Schenk herrschte Einigkeit, dass die EU eine grundlegende wirtschaftspolitische Kurskorrektur und mehr Unternehmergeist brauche. Schenk machte sich dafür stark, es den Unternehmen und dem freien Markt zu überlassen, die besten Wege zur Transformation zu finden, anstatt diese mit kleinteiliger Regulierung vorzugeben. Damit Unternehmen dabei erfolgreich sein könnten, brauche es jetzt konkrete Maßnahmen für die drängenden Probleme, z. B. bei Bürokratie, Energiekosten und dem Wasserstoffhochlauf, forderte Julia S. Schlenz. Langfristige Ankündigungen im Clean Industrial Deal reichten dafür nicht aus.
Auf dem zweiten Panel debattierten VCI-Präsidiumsmitglied Christian Kohlpaintner, Luisa Santos (stellv. Generaldirektorin von BusinessEurope) und Sabine Weyand (Generaldirektorin Handel und wirtschaftliche Sicherheit der EU-Kommission) über die künftige EU-Handelspolitik. Während Kohlpaintner die besonnene Reaktion der EU auf die US-Zölle lobte und eine klar durchdachte Eskalationsstrategie anmahnte, wies Weyand darauf hin, dass die EU jetzt als Hafen der Verlässlichkeit und der regelbasierten Ordnung gefragter denn je sei. Nun gelte es, die Handelsbeziehungen zu diversifizieren und den europäischen Binnenmarkt zu stärken. In dieselbe Kerbe schlug Luisa Santos: Die Entscheidungen der US-Administration seien ein Weckruf für Europa, seine strukturellen Probleme zu lösen und sich neue (Handels)Partner zu suchen.