10. April 2025 | Bericht
USA erklären der Welt den Zollkrieg; EU muss kühlen Kopf bewahren, geeint agieren und deeskalieren.

Der 2. April 2025 markierte – erwartungsgemäß – eine Zäsur für die US-Handelspolitik und das Welthandelssystem. US-Präsident Donald Trump verkündete im Rosengarten des Weißen Hauses massive Zollerhöhungen gegenüber allen Staaten der Welt (außer Russland und einigen anderen). Generell werden die US-Zölle auf 10 Prozent angehoben. Allerdings kommen nur wenige Staaten in den Genuss dieses privilegierten Zugangs zum US-Markt, wie zum Beispiel das Vereinigte Königreich. Für die Mehrzahl der Länder sind deutlich höhere Zölle fällig: für die EU 20 Prozent, für die Schweiz zum Beispiel 31 Prozent, für die VR China 34 Prozent (zzgl. zu bisherigen Zöllen), für andere asiatische Länder noch höher. Zwar wurde parallel zu den Ankündigungen ein Bericht des USTR mit den wichtigsten Handelshemmnissen veröffentlicht. Die Zollhöhen ergaben sich jedoch letztendlich aus einer einfachen Berechnung aus Handelsbilanzdefiziten und Handelsvolumina – der Dienstleistungshandel, in dem die USA in der Regel einen Überschuss haben, bleibt dabei unberücksichtigt. Die Zölle sollten am 5. und 9. April 2025 in Kraft treten. Die neuen, umfassenden Zölle sind nur ein weiterer, allerdings riesiger Schritt – nach verschiedenen Zollmaßnahmen gegenüber Kanada, Mexiko oder auch für Stahl und Aluminium.
The devil lies in the detail
Die praktische Bedeutung der Zölle muss nun von den Unternehmen für ihre individuellen Lieferketten und Investitionen evaluiert werden. Dies ist nicht einfach, weil einige Aspekte der Zölle auf den ersten Blick nicht eindeutig geklärt schienen, und es zudem erhebliche Ausnahmen gibt. So wurde zum Beispiel für Automobile, ein wichtiger Abnehmer deutscher Chemikalien, ein genereller Zollsatz von 25 Prozent festgelegt (mit Ausnahmen für den USMCA-Raum), 25 Prozent gelten auch bereits für Stahl und Aluminium. Für die Chemie ist der „Annex II“ der „Executive Order“ wichtig, der unter anderem viele Chemie-Kapitel zumindest vorerst von den neuen Zöllen ausnimmt. Und auch pharmazeutische Produkte sind noch ausgenommen. Entwarnung möchte man aber nicht geben - schließlich wurden Medikamente neben Halbleitern von Donald Trump Mitte Februar in einem Atemzug mit Autos aufgereiht, für die ein besonderer Zoll eingeführt werden soll. Und auch für Kupfer und Holz, am 2. April 2025 noch ausgenommen, laufen Untersuchungen.
Das Ende einer Ära (?)
Es besteht die ernste Gefahr, dass das Welthandelssystem der Nachkriegszeit, das auf den Regeln von GATT und WTO basierte, mit dem 2. April 2025 sein Ende gefunden hat. Die USA haben das von ihnen geschaffene Fundament der Welthandelsordnung demonstrativ verlassen. Die einseitigen Zollerhöhungen führen zollpolitisch zurück in die Zwischenkriegszeit, in der ein Handelskrieg die Weltwirtschaftskrise verschärfte. Ebenso deutlich wird: Allianzen, die in der Nachkriegszeit aufgebaut wurden, spielen keine Rolle mehr. Es droht „America alone“. Nun liegt es insbesondere in der Hand der anderen wichtigen Handelsmächte, wieviel vom bisherigen Welthandelssystem und seinen disziplinierenden Regeln übrig bleibt. Die Fliehkräfte dürften ohne das Schwergewicht USA groß sein. Die drohende Anarchie dürfe sich aber negativ auf den Welthandel und die Weltfinanzmärkte auswirken. Bi- und plurilaterale Freihandelsabkommen haben im wahrscheinlichsten Szenario einer Erosion des WTO-Systems einen höheren Wert denn je.
Reaktionen: Mal kühl, mal heftig
Die EU hat auf die neuen 20-Prozent-Zölle bewusst abwartend reagiert. Der VCI begrüßt diese abwartende Haltung: Es gilt, einen kühlen Kopf zu bewahren, Einigkeit herzustellen und Eskalationsspiralen zu vermeiden. Der Handelsministerrat der EU ließ am 7. April 2025 der Kommission alle Optionen offen; möglichen Schritten soll eine sorgfältige Analyse vorangestellt werden. Kommissionspräsidentin von der Leyen bot den USA Verhandlungen über ein Industriezollabkommen an. Die am 9. April 2025 beschlossenen Gegenzölle auf die US-Zölle auf Stahl und Aluminium fielen maßvoll aus – sie sollten zunächst ab dem 15. April 2025 gelten.
Der VCI würde es begrüßen, wenn sich die EU vor eigenen Reaktionen nicht nur wie erfolgt intern koordiniert, sondern auch eng mit anderen betroffenen Staaten abstimmt. Auch andere betroffene Staaten wie Japan warteten erst einmal ab und behalten sich zwischen Verhandeln und Vergelten alle Optionen offen. Wieder andere Staaten wie Vietnam öffneten bereits offensiv die Tür für Verhandlungen. Anders das zweite Schwergewicht der Weltwirtschaft, die VR China. Sie verkündete umgehend als Vergeltungsmaßnahme neue Zölle für US-Importe in gleicher Höhe wie die USA. Hier hat eine hochdynamische Eskalationsspirale eingesetzt.
Ein Ergebnis der Ankündigungen der US-Zölle wie auch der Gegenmaßnahmen Chinas war ein starker Einbruch an den Aktien- und Anleihenmärkten. Die Unsicherheit nimmt weiter zu – offensichtlich hatten die Märkte nicht alles eingepreist.
Echternacher Springprozession
Am 9. April 2025 kam dann die nächste Volte: US-Präsident Trump kündigte an, die „reziproken Zölle“ (über die 10 Prozent „für alle“ hinaus) für viele Staaten einschließlich der EU für 90 Tage auszusetzen. Allein die Zölle auf Importe aus China erhöhte er weiter auf 125 Prozent.
Als Reaktion auf diesen Schritt hat die EU wiederum ihre gerade frisch beschlossenen Vergeltungszölle auf Grundlage der US-Stahl- und Aluminiumzölle ebenfalls für 90 Tage ausgesetzt.
Fortsetzung folgt…
Kontakt
Für Fragen und Anregungen nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Dr. Matthias Blum
Abteilungsleitung Außenwirtschaft, Außenwirtschaftspolitik, europäische/nationale Industriepolitik
- E-Mail: mblum@vci.de