22. Mai 2019 | Bericht
Der VCI möchte mit seiner Artikelserie in gebündelter Form auf bürokratische Hemmnisse hinweisen, denen VCI-Mitglieder ausgesetzt sind. Die dritte Folge thematisiert geplante kostenintensive Meldepflichten an Giftinformationszentren.
Die europäische Harmonisierung der Meldepflichten an Giftinformationszentren (GIZ), die über den Anhang VIII der CLP-Verordnung vorgesehen ist, sollte eigentlich Herstellern von chemischen Gemischen den Vertrieb ihrer Produkte im Binnenmarkt erleichtern. GIZ sollen insbesondere Ärzte bei der Behandlung von Vergiftungsfällen durch telefonische Hinweise auf die Inhaltsstoffe des Produkts unterstützen.
Die neuen Regelungen zur harmonisierten Meldung sollen am 1. Januar 2020 in Kraft treten. Im Vorfeld hat die Europäische Kommission eine Machbarbarkeitsstudie beauftragt, in der Bauprodukte, Petroleumprodukte, industrielle Gase, Farben und Lacke, Seifen und Reinigungsmittel sowie Duftstoffe untersucht wurden. Die im Februar 2019 vorgestellten vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass insbesondere die Farben- und Lackindustrie aufgrund ihrer großen Produktpalette (viele verschiedene Farbtöne) mit Abstand am stärksten betroffen ist.
Dem Bericht zufolge wird erwartet, dass die Gesamtzahl der Neumeldungen an die Giftinformationszentren von Farben- und Lackherstellern europaweit von heute geschätzten 150.000 auf mindestens 44,5 Millionen pro Jahr ansteigen wird. Hinzu kommen geschätzte 1,69 Millionen Aktualisierungen pro Jahr.
Dem gegenüber steht die sehr geringe Zahl der Anfragen an die GIZ bezüglich Farben und Lacke. Zum Beispiel entfielen laut Jahresbericht des GIZ Nord 2017 bei 41.161 Gesamtanfragen nur 176 auf (Dispersions-) Farben und Lacke. Davon wurden weit über die Hälfte als „symptomlos“ oder „nicht beurteilbar“ bewertet. Das heißt, es gab vermutlich gar keine Vergiftung.
Kosten bedrohen Farbenhersteller
Die Kosten der neuen Meldepflichten sind derzeit nicht exakt zu berechnen, weil das zentrale Meldeportal der ECHA ebenso wie notwendige Leitfäden noch nicht final fertiggestellt sind. Der Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL) schätzt aber, dass jede Meldung sehr zeitaufwendig sein wird. Sie könnte bis zu sieben Stunden oder mehr dauern, insbesondere weil Informationen der Rohstoffhersteller eingeholt werden müssen. Die Schätzungen der Kosten für die deutschen Farbenhersteller reichen demnach von 350 Millionen bis zu mehreren Milliarden Euro pro Jahr. Für eine Branche mit einem Gesamtumsatz von knapp 7 Milliarden Euro wären solche Kosten existenzgefährdend.
Meldepflicht verschieben
Eine praktikablere Gestaltung des Anhangs VIII ist für die gesamte chemische Industrie von essenzieller Bedeutung. Lösungsansätze der Industrie schließen das Konzept der „comparable Mixtures-in-Mixtures“ und eine Anpassung der Kriterien der generischen Produktidentifikatoren ein.
Um eine Überarbeitung der Regelungen zu ermöglichen, sollte der Start der Meldepflicht ab 1. Januar 2020 um mindestens zwei Jahre verschoben werden. In dieser Zeit muss der Gesetzgeber rechtzeitig für Rechts- und Planungssicherheit sorgen.
INFOGRAFIK: Meldungen an Giftinformationszentren im Vergleich
Erwartete neue Meldungen für die Lack- und Farbenindustrie pro Jahr; heute und ab 2020; EU und Deutschland
Aufruf:
Haben Sie Ideen/Beispiele oder Fragen zum Bürokratieabbau? Dann wenden Sie sich bitte an Angelika Becker: becker@vci.de
Bei Fragen zum Thema dieses dritten Teils schreiben Sie bitte an Aline Rommert, Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie e.V.: rommert@vci.de
Dieser Artikel ist im chemie report 05/2019 erschienen.
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