01. Oktober 2024 | Standpunkt
Die EU-Politik muss jetzt die Chance zur Trendwende ergreifen.
Die EU und Deutschland haben sich der Nachhaltigkeit verschrieben. Das ist gut so! Denn wenn es uns gelingt, die Transformation zur nachhaltigen und zirkulären Wirtschaft so zu gestalten, dass sie zum unverwechselbaren Markenkern wird, ist mir um die Zukunft unseres Industriestandorts eigentlich nicht bange.
Das Thema darf aber im politischen Diskurs nicht in den Hintergrund treten. Und noch etwas: Nachhaltigkeit umfasst neben ökologischen und sozialen Aspekten bekanntlich auch eine wirtschaftliche Dimension. Das hat Brüssel bei der Ausarbeitung des Green Deals – der viele gute Ansätze enthält – zuletzt leider weitgehend ausgeblendet. Hier muss ab sofort nachgebessert werden: Wir brauchen eine Abkehr von kleinteiliger Überregulierung und insgesamt eine deutlich spürbare Korrektur der komplexen Gesetzgebung.
Licht und Schatten im Programm der neuen EU-Kommission
Die Grundzüge der neuen Amtszeit von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen weisen dazu sehr vielversprechende Ansätze auf. Auch dass ein Kommissar mit direkter Berichtslinie an die Präsidentin die komplexe EU-Regulierung durchbürsten und vereinfachen soll, ist ein gutes Signal. Zugleich bleibt von der Leyen ihrem bisherigen Politikstil treu: Denn ihr Vorhaben für mehr Wettbewerbsfähigkeit will sie vor allem mit neuen Gesetzen und Paketen durchsetzen. Und mit neuen Finanzmitteln, die sehr wahrscheinlich gar nicht zur Verfügung stehen werden. Bleibt also zu hoffen, dass der Ankündigungstiger nicht zum Bettvorleger wird.
Hohe Erwartungen an den „Clean Industrial Deal“
Zudem dürfen wir den Blick nicht nur auf Europa verengen. Damit die EU wieder zu einem weltweiten Vorbild wird, müssen neben der Wettbewerbsfähigkeit auch offene Märkte wieder viel stärker in den Fokus rücken. Denn nur ein starker und zuverlässiger Partner wird als guter Partner angesehen, mit dem gemeinsame Lösungen im Klima- und Umweltschutz, bei der Gesundheitsversorgung und Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung oder auch in Sicherheitsfragen realisierbar sind. Dabei kommt es insbesondere auf die Chemie- und Pharmaindustrie mit ihrem Innovationspotenzial und ihrer hohen Wertschöpfung an.
Unser lautes Rufen hat sich bereits ausgezahlt. Viele unserer Vorschläge sind in der Programmatik der neuen EU-Kommission erwähnt. Die Rhetorik aus Brüssel hat sich endlich deutlich verbessert. Nun müssen den Worten aber Taten folgen. Bleiben wir weiter am Ball, damit die EU die Chance zur industriepolitischen Trendwende nutzt und unsere Industrie eine gute Zukunft hat.
Dr. Markus Steilemann
VCI-Präsident
Dieser Beitrag ist Teil des VCI-Politikbriefs „Mehr Industriekompetenz wagen!“ (Oktober 2024).
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