21. Dezember 2022 | Bericht
In unregelmäßigen Abständen geben die TUIS-Werkfeuerwehren einen Einblick in ihre praktische Arbeit.
Bundesweit berichteten die Medien über einen Eisenbahnunfall bei Gifhorn. TUIS-Werkfeuerwehren waren vor Ort und unterstützten die lokalen Einsatzkräfte.
Lage
17. November 2022: Auf der Bahnstrecke zwischen Hannover und Berlin waren in einem ausgedehnten Waldgebiet der Samtgemeinde Meinersen bei Gifhorn zwei Güterzüge zusammengestoßen. Die 25 Druckgaskesselwagen des auffahrenden Zugs waren mit Propangas gefüllt. Vier Kesselwagen kippten um, einer davon schlug leck und an einem weiteren rissen die Entnahmeventile ab. Die vier umgekippten Kesselwagen enthielten 177 Tonnen unter Druck verflüssigtes Propangas. Alle vier Wagen lagen zudem in einem Trümmerfeld der zerstörten Wagen des anderen Zuges.
Hilfe
Nach der ersten Erkundung durch die örtlich zuständigen Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr der Samtgemeinde Meinersen ging ein Notruf bei der TUIS-Leitstelle der Werkfeuerwehr BASF in Ludwigshafen ein. Nach telefonischer Beratung (TUIS-Stufe 1) wurde der Einsatz aufgrund der Dringlichkeit an eine räumlich nähergelegene Werkfeuerwehr übergeben, um eine schnelle Unterstützung zu gewährleisten.
Im Rahmen von TUIS 3 (technische Hilfe am Unfallort) fuhr ein Fachberater der Werkfeuerwehr Chemiepark Marl samt Team am Ereignistag die Einsatzstelle an. Vor Ort stellte sich jedoch heraus, dass eine Umfüllung aufgrund fehlender Infrastruktur ad hoc nicht möglich war. Somit wurden der örtlichen Einsatzleitung alle Aspekte aufgezeigt, die für das Tätigwerden von TUIS erforderlich sind. Hierzu gehörte insbesondere die Erschließung des Geländes und die Sicherstellung des Brandschutzes. Da ebenfalls ersichtlich war, dass aufgrund des Einsatzumfangs weitere TUIS-Unterstützung erforderlich war, wurde umgehend eine online-Lagebesprechung mit weiteren TUIS-Werkfeuerwehren durchgeführt.
Daraufhin bündelten die Werkfeuerwehren Chemiepark Marl (Evonik), Currenta (Leverkusen und Dormagen) und BASF (Ludwigshafen) ihre Kräfte und bearbeiteten den Einsatz gemeinsam. Bei der BASF-Werkfeuerwehr in Ludwigshafen wurde dafür ein Koordinierungsstab eingerichtet, der die technischen Voraussetzungen für den Einsatz vor Ort sowie die technischen Komponenten der beteiligten Werkfeuerwehren abstimmte. Der Koordinierungsstab bündelte und koordinierte zudem Nachforderungen und sorgte mit täglichen Lagebesprechungen für ein einheitliches Lagebild in den beteiligten Chemie-Unternehmen.
Am 18. November übernahm die Werkfeuerwehr Currenta die Fachberatung vor Ort (TUIS-Stufe 2). Während bei den drei Werkfeuerwehren das Equipment für den Umschlag von Flüssiggas vorbereitet und Teams für einen länger andauernden Einsatz zusammengestellt wurden, wurde mit der örtlichen Einsatzleitung die wichtigen Rahmenbedingungen festgelegt. Dazu zählten unter anderem der Abtransport der nicht betroffenen Teile beider Züge, die Details zur Sicherstellung des Brandschutzes und die Ertüchtigung mehrerer Kilometer Feld- und Waldwege, damit diese mit den bis zu 30 Tonnen schweren Großfahrzeugen der Werkfeuerwehren befahren werden konnten. Für den Brandschutz wurden durch die örtlich zuständige Freiwillige Feuerwehr der Samtgemeinde Meinersen mehrere Kilometer Schlauchleitungen in das abgelegene Waldgebiet verlegt. Ebenso wurde die Versorgung der Einsatzstelle mit Verpflegung, Aufenthaltsräumen und Betriebsstoffen durch die Einsatzleitung sichergestellt.
Zum Wochenende, 19. und 20. November, trafen die Teams der Werkfeuerwehren aus Ludwigshafen, Marl, Leverkusen und Dormagen mit insgesamt 21 TUIS-Einsatzkräften an der Einsatzstelle ein. Aufgrund der Seitenlage der havarierten Kesselwagen konnte das Gas aus technischen Gründen nur bis etwa zur Hälfte aus den Wagen abgepumpt werden. Dafür mussten bei einem Kesselwagen vor Ort neue Entnahmeleitungen und -armaturen angefertigt und angebracht werden. Da die Situation vor Ort den sicheren Einsatz von Großkränen zum Aufstellen der umgekippten Kesselwägen nicht ermöglichte, entschied die Einsatzleitung den restlichen Inhalt über mobile Fackeln sicher abzubrennen. Zeitweise liefen hierzu drei Fackeln über mehrere Tage gleichzeitig.
Eine besondere Herausforderung dabei waren die niedrigen Außentemperaturen. Außerdem kühlt sich unter Druck verflüssigtes Propangas beim Verdampfen stark ab, wodurch ebenfalls weniger Dämpfe für das sichere Abfackeln zur Verfügung standen. Deshalb kamen zwei mobile Heizzentralen zum Einsatz: Die Heißwassergeneratoren bereiteten warmes Wasser in großen Mengen auf, das dann mit Düsenschläuchen über den Waggons ausgebracht wurde. Das verflüssigte Gas wurde somit verdampft, dehnte sich aus und wurde mit größerem Druck aus den Kesseln in Richtung Fackel gedrückt.
Anschließend wurden die vier havarierten Kesselwagen mit Stickstoff gespült und so von den letzten Resten Propan befreit. Nur dadurch konnte – nachdem der TUIS-Einsatz am 25. November beendet war – den Kräften der Deutschen Bahn die gefahrlose Bergung der Wagen und die Wiederherstellung der Strecke Hannover-Berlin ermöglicht werden.
Mehr Informationen zu TUIS gibt es unter https://www.vci.de/themen/logistik-verkehr/tuis/uebersichtsseite.jsp
Kontakt
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Monika von Zedlitz
Pressesprecherin Bildungs-/Forschungspolitik, Verkehrsinfrastruktur/Logistik/TUIS, Genehmigungsverfahren/Anlagensicherheit/Chemieparks, Recht/Steuern, Responsible Care, Expertenticker Umwelt & Sicherheit
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