18. März 2022 | Position
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Bedeutung der Binnenschifffahrt für die chemische Industrie
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Die chemische Industrie verantwortet mehr als 10 Prozent der gesamten Beförderungsmenge im Binnenschiffsverkehr.
Um die Vorteile von Binnenschiffstransporten voll nutzen und das steigende Güterverkehrsaufkommen mit ihrer Hilfe bewältigen zu können, muss die Infrastruktur dafür dauerhaft leistungsfähig und zuverlässig sein. Dies muss für die Zukunft nicht nur sichergestellt, sondern noch erheblich verbessert werden: Die Schiffbarkeit des Rheins muss optimiert, Schleusen und Kanäle müssen dringend saniert werden. Das für die Planung notwendige Personal muss unverzüglich eingestellt werden.
Mobilität im Güterverkehr ist eine wesentliche Voraussetzung für eine wettbewerbsfähige Industrie und wirtschaftliches Wachstum. Dazu ist ein starkes logistisches System erforderlich. In diesem spielt die Binnenschifffahrt als umweltfreundliches und sicheres Transportmittel für die chemische Industrie eine wichtige Rolle: Im Jahr 2020 wurden allein in Deutschland 21,2 Millionen Tonnen chemische Erzeugnisse mit dem Binnenschiff transportiert. Damit verantwortet unsere Branche mehr als 10 Prozent der gesamten Beförderungsmenge im Binnenschiffsverkehr (= 188 Mio. Tonnen)
Dieser hohe Anteil besteht, weil der Binnenschiffstransport für chemische Erzeugnisse häufig prädestiniert ist: Er ist besonders geeignet für Massengüter, die über längere Distanzen transportiert werden müssen. Daneben hat er für die Produkte der chemischen Industrie verkehrsträgerspezifische Vorteile. Die Struktur der Binnenschiffstransporte in der chemischen Industrie ist vorwiegend gekennzeichnet durch:
- Tank- und Trockengutschifffahrt
- für die Versorgung der Chemiestandorte mit Rohstoffen sowie
- die Belieferung von Kunden mit Zwischenprodukten und
- den Containerversand für den Seehafenzulauf (überwiegend Boxcontainer mit palettierter Ware) sowie
- den Transport von Leercontainern in das Hinterland.
Damit wir die Vorteile von Binnenschiffstransporten voll nutzen können, müssen sie leistungsfähig und zuverlässig sein. Dass sie gut funktionieren, muss für die Zukunft nicht nur sichergestellt, sondern noch verbessert werden, um
- die Voraussetzungen für eine politisch gewollte Verlagerung von Transporten von der Straße auf das Binnenschiff zur schaffen,
- der zu erwartenden Steigerung des Verkehrsaufkommens in den nächsten Jahren gerecht zu werden
- um durch die Nutzung des Binnenschiffsverkehrs einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können.
Dazu sollten
- die Infrastruktur gezielt ertüchtigt,
- die Planungsverfahren spürbar beschleunigt,
- die Transportkapazitäten gezielt erhöht,
- Abstell- und Lagerflächen für Container in den Binnenschiffsterminals geschaffen bzw. erweitert,
- die Automatisierung und Digitalisierung im Binnenschiffsverkehr noch stärker vorangetrieben werden (einschließlich 5-G-Netz zur Datenübertragung) sowie
- gezielt Fachkräfte (insbesondere Schiffsführer) gewonnen werden, um der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken.
Die Binnenschifffahrt ist abhängig von den Pegelständen der Flüsse. Neben Hochwasser führt zunehmend Niedrigwasser zu Einschränkungen. Die Verlässlichkeit von Binnenschiffs-transporten leidet auch unter der stark sanierungsbedürftigen Infrastruktur der Kanäle und vor allem der Schleusen. Um die Binnenschifffahrt funktionsfähig zu erhalten, ist es notwendig, mehr Verlässlichkeit bei der Infrastruktur zu erreichen:
- Für die Verbesserung der Schiffbarkeit der national und international bedeutsamen Wasserstraße Rhein sind die Abladeoptimierungen des Mittel- und Niederrhein vordringlich. Mit höherem Wasserstand der Fahrrinne an den dortigen Engstellen kann diese Binnenwasserstraße bei Niedrig- und Mittelwasser stabiler und sicherer befahren werden kann. Die dafür notwendigen flussbaulichen Maßnahmen deutlich zügiger in Angriff genommen werden als geplant. Die Abladeoptimierung Mittelrhein muss deutlich vor 2030 umgesetzt sein und die Abladeoptimierung Niederrhein deutlich vor 2037.
- Für die chemische Industrie wichtige Kanäle und vor allem Schleusen sind sehr alt und marode, so dass eine Sanierung dringend notwendig ist. Die derzeitigen Staus und Wartezeiten an den Schleusen tragen nicht dazu bei, den Verkehrsträger attraktiv zu machen, sondern sind eher abschreckend. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Auch im Kanalnetz müssen die Reparaturmaßnahmen unverzüglich durchgeführt werden und ein Instandhaltungskonzept für den sicheren Betrieb erarbeitet werden.
Damit die notwendigen Baumaßnahmen zügig realisiert werden können,
- müssen die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte wirksam beschleunigt werden,
- ist eine leistungsfähige Bundes- und Wasserstraßenverwaltung mit klaren Entscheidungsstrukturen und ausreichender Personalausstattung notwendig.
- Für die Umsetzung der Abladeoptimierungen und die Abarbeitung des Sanierungsstaus fehlt das notwendige Planungspersonal, es muss dringend eingestellt werden.
Bei der dauerhaften Sicherstellung der benötigten Haushaltsmittel besteht unverändert dringender Handlungsbedarf.
Bereits durch eine verlässlichere Infrastruktur können Mengensteigerungen bei der Binnenschifffahrt erzielt werden. Durch weitere Maßnahmen, wie beispielweise zusätzliche moderne Umschlagpunkte für den Kombinierten Verkehr oder die Erhöhung der Durchfahrtshöhe unter den Brücken in Kanälen (Ermöglichung des doppellagigen Containertransportes), könnten diese weiter erhöht und das Potenzial des Verkehrsträgers besser genutzt werden.
Zusätzliche positive Effekte können durch eine stärkere Automatisierung und Digitalisierung erreicht werden. Der digitale Wandel bietet viele Möglichkeiten – vom papierlosen Transportdokument bis zu der Nutzung digitaler Daten in der gesamten logistischen Transportkette – die es zu nutzen gilt.
Es muss gelingen, den Binnenschiffsverkehr weiter zu modernisieren und dauerhaft leistungsfähig aufzustellen. Nur dann wird es möglich sein, die klima- und verkehrspolitischen Ziele zu erreichen und die Herausforderungen, die der Güterverkehr für die Zukunft bereithält, zu bewältigen.
Schleusen-Problematik am Beispiel des Wesel-Datteln-Kanals
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Dipl.-Kfm. Tilman Benzing
Bahntransport, Binnenhäfen, Chlor, Intralogistik, Seeverkehr, Verkehrsinfrastruktur
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