12. Dezember 2022 | Information
Titandioxid wurde zu Unrecht als krebserregend eingestuft.
Das Europäische Gericht (EuG) hat mit Urteil vom 23. November 2022 die Einstufung von Titandioxid durch die EU-Kommission nach Art. 263 AEUV für nichtig erklärt (verbundene Rechtssachen T-279/20, T-288/20 und T-283/20).
Die streitgegenständliche harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung von Titandioxid als wahrscheinlich karzinogen beim Einatmen war mit der Delegierten Verordnung 2020/217 erfolgt. Zwar gewähren EuG und EuGH den Behörden insbesondere bei wissenschaftlichen und technischen Beurteilungen ein weites Ermessen, das oftmals zur Abweisung von Klagen gegen Behördenentscheidungen führt. Vorliegend bejahte das EuG jedoch offensichtliche Beurteilungsfehler der Kommission durch Übernahme der fehlerhaften Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung der ECHA (RAC) sowie einen Verstoß gegen die in der CLP-Verordnung (1272/2008) festgelegten Kriterien für eine Einstufung eines Stoffes als karzinogen.
Zum einen seien die entscheidenden Studien nicht hinreichend verlässlich und angemessen als Grundlage für die Einstufung, zum anderen sei der Begriff der intrinsischen Eigenschaften von Stoffen im Sinne der CLP-Verordnung vorliegend fehlerhaft angewandt worden. Mangels Definition in der CLP-VO legt das Gericht den Begriff der „intrinsischen Eigenschaften“ in seinem wörtlichen Sinne aus. Er bezeichne „die Eigenschaften eines Stoffes, die ihm eigen sind“ (Rz. 138). Das EuG kommt weiter zu dem Schluss, dass nicht davon ausgegangen werden könne, „dass eine Ansammlung von Partikeln in der Lunge in Mengen, die ausreichen, um eine signifikante Beeinträchtigung der Reinigungsmechanismen für Partikel hervorzurufen, was erst überprüft werden kann, wenn bestimmte Mengen an Partikeln eingeatmet werden, von den intrinsischen Eigenschaften der in Rede stehenden Partikel herrührt.“ (Rz. 158)
Sowohl die angegriffene Einstufung als auch das diese aufhebende Urteil sind als Präzedenzfall für die eventuelle zukünftige Einstufung von Stoffen und deren Stäuben zu sehen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Rechtsmittelfrist (zwei Monate und 10 Tage ab Zustellung) endet Anfang Februar.
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Dominik Jaensch
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