Lebendige Hauptversammlungen

Reformbedarf im Beschluss­mängelrecht

10. Juni 2024 | Bericht

Sachverständigenanhörung zur Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts.

Für die Gesellschaften haben Rechtsklarheit und Rechtssicherheit über den Bestand oder Nichtbestand von Hauptversammlungsbeschlüssen eine herausragende Bedeutung. © Izusek/GettyImages
Für die Gesellschaften haben Rechtsklarheit und Rechtssicherheit über den Bestand oder Nichtbestand von Hauptversammlungsbeschlüssen eine herausragende Bedeutung. © Izusek/GettyImages

Mitte Mai 2024 hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags seine Beschlussempfehlung und seinen Bericht zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion „Für Rechtssicherheit und eine lebendige Hauptversammlung – Reformbedarf im Beschlussmängelrecht“ (Drs. 20/9734) veröffentlicht (Drs. 20/11456).

Dem Beschluss ging eine Sachverständigenanhörung voraus, die auf Initiative der Unionsfraktion Mitte April 2024 vor dem Bundestagsrechtsausschuss stattfand.

Anlass der Unionsinitiative waren die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung virtueller Hauptversammlungen für Aktiengesellschaften erfolgten Hinweise aus der Unternehmenspraxis, dass sich das geltende Beschlussmängelrecht als Hindernis für einen gewünschten offenen Austausch zwischen Vorstand und Aktionären in der Hauptversammlung darstellt, das durch die bisherigen Einzelkorrekturen des Gesetzgebers wie etwa die Einführung des Freigabeverfahrens nicht hinreichend beseitigt werden konnte.

Neben Vertretern der Aktionärsinteressen, der Anwaltschaft und der Wissenschaft nahm die Vorsitzende des VCI-Fachausschusses Unternehmensrecht, Frau Dr. Melanie Eckardt, als Sachverständige der Unternehmenspraxis an der Anhörung teil. In ihrer Stellungnahme betonte sie, dass das im internationalen Vergleich einzigartig strikte Beschlussmängelregime des deutschen Aktienrechts zur Folge hat, dass der Ablauf und die Informationserteilung in der Hauptversammlung durch das Prinzip „Vorsicht“ geprägt sind: Die Vermeidung von Anfechtungsrisiken führt zu einer erheblichen Verrechtlichung der Hauptversammlung, die einer offenen Diskussionskultur abträglich ist.

Frau Dr. Eckardt wie auch die Vertreter der Wissenschaft und Anwaltschaft warben daher einhellig für eine Flexibilisierung der Rechtsfolgen des Beschlussmängelrechts: Nur Beschlussmängel mit einer besonderen Schwere sollten mit der Rechtsfolge der Beschlussunwirksamkeit sanktioniert werden. Alle anderen Beschlussmängel sollten dagegen einem differenzierten, abgestuften Rechtsfolgensystem unterliegen, mit dem auf den Beschlussmangel in angemessener Weise reagiert wird. Die Vertreter der Aktionärsinteressen bewerteten die Reformempfehlungen dagegen als einen Eingriff in die Kontrollmöglichkeiten der „Eigentümer“.

Erwartungsgemäß wurde der Oppositionsantrag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen abgelehnt. In der Begründung zeigte sich jedoch immerhin die Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN bereit, über notwendige Änderungen nachzudenken und an entsprechenden Vorschlägen zu arbeiten. Der VCI wird sich weiter für ein ausbalanciertes Beschlussmängelrecht einsetzen, das eine lebendige Hauptversammlung ermöglicht, ohne dabei die Kontrollmöglichkeiten der Aktionäre unverhältnismäßig einzuschränken. Vorschläge hierzu aus der Wissenschaft liegen seit langem vor.


Kontakt

Für Fragen und Anregungen nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Dr. Tobias Brouwer

Dr. Tobias Brouwer

Abteilungsleitung Recht und Steuern, Compliance, Unternehmens- und Verbandsrecht