06. April 2023 | Bericht
Das Bundeskabinett hat den Regierungsentwurf der 11. GWB-Novelle verabschiedet.
Das Bundeskabinett hat am 05. April 2023 den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsstrukturen und zur Abschöpfung von Vorteilen aus Wettbewerbsverstößen (11. GWB-Novelle) verabschiedet.
Die wichtigsten Inhalte des Gesetzentwurfs sind:
- Absenkung der Voraussetzungen für die Vorteilsabschöpfung in § 34 GWB-E: Statt eines konkreten Nachweises soll künftig eine eingeschränkt widerlegbare gesetzliche Vermutung gelten, dass ein Verstoß gegen näher bezeichnete Vorschriften des GWB, gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder gegen eine Verfügung der Kartellbehörde nach § 19a, einen wirtschaftlichen Vorteil verursacht hat. Die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils kann geschätzt werden. Für die Schätzung der Vorteilshöhe gilt § 287 ZPO entsprechend mit der Maßgabe, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt. Es wird vermutet, dass der wirtschaftliche Vorteil mindestens 1 Prozent der Umsätze beträgt, die im Inland mit den Produkten oder Dienstleistungen, die mit der Zuwiderhandlung in Zusammenhang stehen, erzielt wurden. Gegen die Vermutung soll nicht vorgebracht werden können, dass kein wirtschaftlicher Vorteil oder ein Vorteil in nur geringer Höhe angefallen ist. Sie soll nur widerlegt werden können, soweit das Unternehmen nachweist, dass weder die am Verstoß unmittelbar beteiligte juristische Person oder Personenvereinigung noch das Unternehmen im Abschöpfungszeitraum einen Gewinn in entsprechender Höhe erzielt hat. Der abzuführende Geldbetrag ist zudem auf 10 Prozent des Gesamtumsatzes des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung, der in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt worden ist, gedeckelt.
- Einführung eines neuen Eingriffsinstruments in § 32f GWB-E: Vorgesehen ist, dass das Bundeskartellamt im Anschluss an eine Sektoruntersuchung festgestellte Störungen des Wettbewerbs abstellen kann. Bisher enden Sektoruntersuchungen mit einem Bericht des Bundeskartellamts; künftig soll das BKartA verschiedene Maßnahmen anordnen können, um festgestellte Störungen des Marktes zu adressieren. Hierzu zählen folgende Maßnahmen: Die Gewährung des Zugangs zu Daten, Schnittstellen, Netzen oder sonstigen Einrichtungen, Vorgaben zu den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen auf den untersuchten Märkten und auf verschiedenen Marktstufen, die Verpflichtung zur Etablierung transparenter, diskriminierungsfreier und offener Normen und Standards durch Unternehmen, Vorgaben zu bestimmten Vertragsformen oder Vertragsgestaltungen einschließlich vertraglicher Regelungen zur Informationsoffenlegung, das Verbot der einseitigen Offenlegung von Informationen, die ein Parallelverhalten von Unternehmen begünstigen sowie die organisatorische Trennung von Unternehmens- oder Geschäftsbereichen. Als „ultima ratio“ sollen Unternehmen auch entflochten werden können (vgl. § 32f Abs. 4 GWB-E).
- Schaffung der rechtlichen Grundlagen dafür, dass das Bundeskartellamt die Europäische Kommission bei der Durchsetzung des Digital Markets Act unterstützen kann (§ 32 g GWB-E). Zudem soll die private Durchsetzung des Digital Markets Acts erleichtert werden.
VCI-Kurzbewertung
Der VCI sieht den Gesetzentwurf, insbesondere die weitreichenden Befugnisse des Bundeskartellamtes im Anschluss an Sektoruntersuchungen, äußerst kritisch. Dem Bundeskartellamt würden damit tiefgreifende Möglichkeiten eingeräumt werden, gestaltend in den Markt einzugreifen. Insbesondere die Befugnis zur Anordnung struktureller Maßnahmen ohne kartellrechtlich vorwerfbares Verhalten eines Unternehmens, also die Befugnis zu einer missbrauchsunabhängigen Entflechtung, stellt einen Paradigmenwechsel im deutschen Wettbewerbsrecht dar, der dem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet.
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RA Marcel Kouskoutis
Gewerbliche Schutzrechte, Kartellrecht, Rechtsfragen Digitalisierung, Zivil- und Vertragsrecht
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