11. Juni 2018 | Bericht
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Grafiken zur Illustration der Rede von VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann auf der Eröffnungspressekonferenz der ACHEMA am 11. Juni 2018 (PDF; 5 Grafiken)
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Grafiken zur Illustration der Rede von VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann auf der Eröffnungspressekonferenz der ACHEMA am 11. Juni 2018 (5 Grafiken als jpg-Dateien in druckfähiger Auflösung, gezippt))
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Zur Eröffnung der ACHEMA 2018 in Frankfurt am Main gab Utz Tillmann einen Überblick zur wirtschaftlichen Lage der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland, erläuterte die Herausforderungen für die Branche bei Klimaschutz und Rohstoffbasis und zeigte die Perspektiven für Digitalisierung und zirkuläre Wirtschaft in der Ära Chemie 4.0 auf..
I. Wirtschaftliche Lage der Branche
Sehr geehrte Damen und Herren,
die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland ist eine starke und innovationsorientierte Kernbranche mit über 450.000 Beschäftigten. Sie befindet sich aktuell in sehr guter wirtschaftlicher Verfassung. 2017 konnte die Chemie ein Rekordjahr verzeichnen. An diese positive Entwicklung wollen die rund 2.000 Unternehmen auch 2018 anknüpfen. Und es sieht so aus, als ob das gelingt: Der Start ins Jahr verlief positiv, besonders die Exporte in die EU entwickeln sich erfreulich. Für 2018 erwarten wir insgesamt weiterhin gute Geschäfte. Wir rechnen mit einem Anstieg der Produktion um 3,5 Prozent in diesem Jahr.
Allerdings ist nicht alles nur positiv: Denn die geopolitischen Risiken für Rückschläge der Weltwirtschaft haben zuletzt wieder zugenommen. Für Unsicherheit sorgen vor allem die USA mit ihrer protektionistischen Handelspolitik. Aber auch die industriepolitische Strategie in China ist nicht unproblematisch: Die Volksrepublik kauft gezielt europäische Unternehmen auf, um technologische Lücken zu schließen. Direktinvestitionen für ausländische Unternehmen im eigenen Land erschwert China aber weiterhin. Diese Ungleichbehandlung behindert die internationale Zusammenarbeit.
II. Themen der Achema 2018
Davon abgesehen hat die deutsche Chemie langfristig exzellente Perspektiven. Das liegt auch daran, dass unsere Unternehmen die Chancen der Digitalisierung und zirkulären Wirtschaftsweise erkannt haben und beherzt umsetzen.
Beide Entwicklungen sind die aktuellen Treiber des Wandels in unserer Branche auf dem Weg zu noch mehr Nachhaltigkeit.
Genau das müssen die Organisatoren der internationalen Leitmesse für Prozesstechnik im Hinterkopf gehabt haben, als sie einen Schwerpunkt auf Klimaschutz, Ressourcenschonung und Digitalisierung gelegt haben. Damit bildet die Achema genau die Trends ab, die für die Unternehmen der deutschen Chemie Priorität haben.
Was mich besonders freut: Die ACHEMA in Frankfurt zeigt vielversprechende Ansätze für die innovativen Lösungen von morgen. Das ist wichtig. Denn alleine mit dem aktuellen Stand der Technik werden wir die großen Herausforderungen der Zukunft nicht bewältigen können.
III. Lösungen für den Klimaschutz
Innovative Lösungen sind gerade im Klimaschutz gefragt. Sollen die globalen Klimaschutzziele des Pariser Abkommens erreicht werden, braucht es realistische Reduktionspfade für dieses Treibhausgas.
Gerade an die Chemiebranche gibt es in puncto Klimaschutz – zurecht – große Erwartungen:
- Sie soll ihre Produktion weniger CO2-intensiv und langfristig sogar treibhausgasneutral gestalten. Hier haben wir in der deutschen Chemie durch die Halbierung unserer CO2-Emissionen seit 1990 schon viel erreicht.
- Sie soll Beiträge zu Ressourceneffizienz und Klimaschutz in den Kundenindustrien liefern. Dem werden die Unternehmen verstärkt gerecht. Immer leistungsfähigere Produkte tragen dazu bei, bei der Nutzung mehr CO2-Emissionen einzusparen. Leichtbaumaterialien, Dämmstoffe oder neue Werkstoffe für die Stromspeicherung sind Beispiele dafür.
- Nicht zuletzt soll die Branche Alternativen zur heutigen, weitgehend fossilen Rohstoffbasis (Öl, Erdgas) entwickeln, um auch die mit den Produkten verbundene Treibhausgasemission zu reduzieren, die am Ende ihres Lebenszyklus entstehen.
An all diesen Aufgaben arbeiten bereits viele kluge Köpfe hierzulande in der Wissenschaft, der Forschung und der Industrie. Das gemeinsame Ziel: zur gesellschaftlich und politisch gewünschten „Dekarbonisierung" beizutragen.
Doch lassen Sie mich anmerken: Der Begriff „Dekarbonisierung“ ist in Bezug auf unsere Branche irreführend. Der völlige Verzicht auf Kohlenstoff kann für die chemisch-pharmazeutische Industrie, deren Produkte zum größten Teil auf kohlenstoffhaltigen Rohstoffen aufbauen, kein sinnvolles Ziel sein. Im Gegenteil: Das chemische Element Kohlenstoff und seine Verbindungen sind und bleiben die stoffliche Basis unserer Produktion. Unser Ziel ist deshalb „Treibhausgasneutralität“ statt „Dekarbonisierung“.
Um der Treibhausgasneutralität näherzukommen, wird die Kreislaufführung des Kohlenstoffs immer wichtiger. Dies erreichen wir zum Beispiel, indem wir den Kohlenstoff über verschiedene Recyclingmethoden wiederverwenden. Aber auch, indem wir einen stärkeren Fokus auf die Nutzung nichtfossiler Ressourcen setzen.
- Zu nennen sind hier zum Beispiel die vielfältigen Ansätze, nachwachsende Rohstoffe vor allem in biotechnischen Verfahren zu nutzen.
- Auch arbeiten wir daran, CO2 als direkte Kohlenstoffquelle für die organisch-chemische Produktion einzusetzen. Sie kennen solche Verfahren unter dem Stichwort „CCU“ (Carbon Capture and Utilization).
- Außerdem wird heute wieder die Pyrolyse von Kunststoffabfällen als weitere Rohstoffquelle für Basischemikalien erprobt.
Nicht alle Projekte liefern bereits marktfähige Produkte. Für ihre Umsetzung brauchen die Unternehmen einen langen Atem. So wird es laut einer Studie der DECHEMA zwar technisch möglich sein, die wichtigsten Basischemikalien klimaneutraler zu produzieren, indem CO2 als Ausgangsbasis verwendet wird. Doch wären hierfür enorme Strommengen aus erneuerbaren Quellen erforderlich:
Die vollständige Umstellung unsere Branche auf CO2 als Rohstoff würde für die Herstellung des nötigen Wasserstoffs den kompletten heutigen Stromverbrauch in Deutschland erfordern. Ob Wind und Sonne dies in Deutschland und Europa zu bezahlbaren Preisen ermöglichen, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Zur Orientierung: Derzeit beträgt der Anteil von „grünem“ Strom lediglich ein Drittel der gesamten Stromproduktion in Deutschland.
Damit entsprechende Forschungsprojekte in konkrete Anwendungen münden, darf nicht nur die technische Machbarkeit gegeben sein. Um die Energiewende zu stemmen, braucht es mehr als die Anstrengungen einer einzelnen Branche. Alle Beteiligten der Wertschöpfungskette „regenerative Energie“ müssen dafür als Partner kooperieren. Wichtige Voraussetzung ist die Planungssicherheit für die Unternehmen. Das erfordert geeignete und verlässliche politische Rahmenbedingungen.
Das gilt besonders für die Herausforderung Klimawandel. Er lässt sich nicht regional und schon gar nicht im nationalen Alleingang lösen. Das heißt für unsere Branche: Eine klimaneutral wirtschaftende Chemie ist nur global vorstellbar.
Von einem globalen Gleichschritt sind wir allerdings noch weit entfernt. Realität ist, dass die EU sich vergleichsweise hohe und konkrete Klimaziele gesetzt hat. Sie setzt diese über den EU-Emissionshandel im Bereich der Energiewirtschaft und der Industrie durch. In vielen anderen Regionen der Welt stehen vergleichbare Ambitionen noch aus.
Die Klimaschutzpolitik ist bisher nicht global angelegt. Sie muss aber zu vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen führen – sowohl in der Chemie, als auch in den anderen Branchen, die maßgeblich CO2 ausstoßen.
Deshalb setzt sich der VCI für eine globale Bepreisung der CO2-Emissionen ein. Zumindest für die Länder der G20-Staaten sollten einheitliche Bedingungen gelten. Denn die G20 verursachen 80 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Zudem verfügen sie über etablierte Verhandlungskanäle, sodass eine solche politische Vereinbarung zu erzielen schwierig ist, aber machbar scheint, wenn alle Staaten Klimaschutz ernst nehmen.
Ein solcher globaler CO2-Preis könnte über ein Emissionshandelssystem wie in der EU ermittelt oder als einheitliche CO2 -Steuer politisch festgelegt werden. Wichtig ist, dass damit Wettbewerbsverzerrungen und der Abwanderung der Produktion aus Deutschland oder der EU vorgebeugt wird. Klimaschutz muss weltweit so effizient und kostengünstig wie möglich organisiert werden. Und er muss weiterhin Wachstum und Wohlstandsgewinne erlauben. Erst unter diesen Prämissen können wir andere Regionen überhaupt zum Mitmachen bewegen.
IV. Digitalisierung und zirkuläre Wirtschaft
Klimaschutz ist nur eine wichtige Facette in der aktuellen Ära der chemischen Industrie, die wir als „Chemie 4.0“ bezeichnen. Auf der ACHEMA sind an vielen Ständen weitere Arbeitsfelder zu sehen und zu erleben. Digitalisierung und Ressourcenschonung zählen dazu. Auch hier gehört die deutsche Chemie zu den Vorreitern.
Digitalisierung ist für die deutsche Chemie nicht neu: Viele Betriebe haben ihre Produktion durch digitale Steuerung bereits automatisiert. Nun etablieren immer mehr Unternehmen aber auch digitale Geschäftsmodelle.
Denn die Nutzung von Massendaten – Big Data – eröffnet unserer Branche neue Chancen: Dieses Instrument unterstützt eine gezieltere Forschung, eine effizientere Produktion und erlaubt, schneller Lösungen für Kundenwünsche zu entwickeln. Unternehmen können heute nicht nur ihre Betriebsprozesse untereinander verbinden, sondern sich zunehmend digital auch mit Kunden vernetzen, um erfolgreicher mit ihnen zu kooperieren.
Deshalb wollen deutsche Chemieunternehmen in den nächsten 3 bis 5 Jahren 1 Milliarde Euro in Digitalisierungsprojekte oder in neue digitale Geschäftsmodelle investieren. Hinzu kommen jährlich mehrere Milliarden Euro für die Entwicklung ressourcenschonender Innovationen.
Gerade Digitalisierung und der sparsame Einsatz von knappen Ressourcen sind eng miteinander verknüpft und ermöglichen weitere Fortschritte bei der zirkulären Wirtschaft.
Dieser Begriff ist in Europa mittlerweile ein bekanntes Schlagwort. Und es ist ein Schwerpunkt der europäischen Politik. Die zirkuläre Wirtschaft umfasst verschiedene Ansätze. Unter anderem geht es darum, Stoffkreisläufe aufzubauen. Hier helfen Big Data und Digitalisierung: So werden zukünftig über den gesamten Lebenszyklus von Produkten hinweg immer mehr Informationen gesammelt. Diese kann sich zum Beispiel der Recycler dieser Produkte zunutze machen, um Rohstoffe wiederzugewinnen.
Die Erfassung und Auswertung digitaler Datenströme ermöglicht auch die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) von großtechnischen Anlagen. In Steamcrackern können zum Beispiel mehrere Tausend Sensoren rund um die Uhr Prozessdaten wie Temperatur und Druck im Reaktor erfassen. Das erleichtert es, die Anlagen optimal zu steuern, in Echtzeit zu überwachen und mit geringerem Zeitaufwand zu warten. Predictive Maintenance wird sich in großen Produktionsanlagen in Zukunft als technischer Standard deshalb wohl überall etablieren. Ähnliches gilt für Pumpen.
Außerdem eröffnet die Digitalisierung auch Start-ups neue Nischen im Markt. Ihr Geschäftsmodell kommt dabei teilweise ohne einen kapitalintensiven Produktionsbetrieb im Hintergrund aus.
All das zeigt: Chemie 4.0 ist bereits voll im Gange.
V. Chemie und Nachhaltigkeit
Meine Damen und Herren,
nachhaltiges Wirtschaften ist für die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft. Deshalb macht unsere Nachhaltigkeitsinitiative Chemie³ dies zum Kern einer Zukunftsstrategie der Branche. Wir arbeiten daran, dass Nachhaltigkeit in allen Unternehmen als Leitbild verankert wird. Damit sind wir auf dem richtigen Weg. Das unterstreichen die 17 Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung (SDG), zu denen wir als Branche vielfältige Beiträge liefern. Ressourceneffizienz und Klimaschutz nehmen dabei eine wichtige Rolle ein. Die deutsche Chemie ist hier einer der wichtigsten Innovationstreiber – das wird auch auf der ACHEMA in diesem Jahr spürbar. Ich bin überzeugt: Nachhaltigkeit braucht mehr Chemie, nicht weniger.
Hinweis:
Die Grafiken zur Rede von VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann finden Sie in zusammengefasster Form auch im Download-Bereich im Kopf dieser Seite. Dort steht der Redetext auch in einer druckfreundlichen Fassung (sogenannte „Langfassung") mit einem Umfang von 6 Seiten zur Verfügung.