Interview

„Die Zusammen­arbeit war sensationell“

31. Juli 2024 | Bericht

Für ein modernes, zukunftsfestes Steuersystem hat sich die Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“ eingesetzt.

Werner Thumbs (l.) und Oliver Nußbaum waren Mitglieder der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“.
Werner Thumbs (l.) und Oliver Nußbaum waren Mitglieder der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“.

Die Expertenkommissionen „Vereinfachte Unternehmensteuer“ und „Bürgernahe Einkommensteuer“ haben kürzlich ihre Berichte an Bundesfinanzminister Christian Lindner übergeben. Die Mitglieder des VCI-Steuerausschusses Werner Thumbs (Ingelheim) und Oliver Nußbaum (Ludwigshafen) geben einen Blick in die Arbeit der Expertenkommission.

Herr Thumbs, Herr Nußbaum, Sie beide waren Mitglied der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuern“. Dort waren Vertreter aus Wissenschaft und Praxis beteiligt, sodass unterschiedliche Perspektiven und Themenschwerpunkte zu erwarten waren. Welches Resümee können Sie aus der Zusammenarbeit ziehen?

Werner Thumbs: Ich empfand die Zusammenarbeit als sensationell. Jeder war daran interessiert, im Rahmen der Vorgaben – es soll wenig kosten, aber viel helfen – bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Kein einziges Mitglied hat seine persönlichen Steckenpferde geritten oder versucht, einen eigenen schon mal gemachten Vorschlag über die Kommission „zu promoten“. Auch war die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen sehr angenehm: Wir waren alle sehr daran interessiert, die Perspektiven der anderen zu erkennen und zu verstehen. Ich habe dabei wahnsinnig viel gelernt: Die Professorinnen und Professoren gehen viel grundsätzlicher und sorgfältiger an die Themen ran, als das bei mir der Fall ist. So wurde beispielsweise immer wieder gefragt: „Worauf baut Ihre Meinung auf? Wie lässt sich das begründen? Wie passt das insgesamt in unseren Bericht?“ Das hat riesig Spaß gemacht. Mein Respekt für alle Kommissionsmitglieder ist extrem gewachsen. Sage mir bitte keiner, die Professoren lebten doch im Elfenbeinturm – ganz und gar nicht!

Oliver Nußbaum: Das habe ich auch so empfunden. Die Kommission war sehr engagiert und fokussiert darauf, reformfähige Vorschläge zeitnah zu entwickeln. Die Gespräche waren äußerst konstruktiv und produktiv, und sie haben wertvolle Einblicke und Anregungen geliefert. Es war eine tolle und zugleich eine persönlich sehr bereichernde Erfahrung, gemeinsam mit der Kommission an diesem Ziel zu arbeiten.

Die Arbeit in der Expertenkommission ist oftmals von Kompromissen geprägt. Was war die größte Herausforderung?

Oliver Nußbaum: Unsere Herangehensweise in den Kommissionen und den jeweiligen Arbeitsgruppen war ergebnisoffen und vertrauensvoll, um nicht von vornherein Lösungswege und alternative Reformperspektiven auszuschließen. Diesem Ziel haben sich auch in den Kommissionen alle verpflichtet gefühlt. Aufgrund des gemeinsamen Grundverständnisses unserer Arbeit in den Arbeitsgruppen waren die fachlichen Diskussionen aus unterschiedlichen Blickwinkeln eher zielführend.

Werner Thumbs: Das kann ich nur unterstreichen. Kompromisse waren selten nötig; wir waren uns in der Grundrichtung einig. Was eher mal vorkam war, dass jemand auf notwendige Abstimmungen mit anderen UAG hingewiesen hat. Da hat es niemals(!) irgendwelchen Streit oder Befindlichkeiten gegeben. Darauf zu achten, dass auf über 200 Seiten immer Dinge stehen, die zusammenpassen, das war eine ganz besondere Herausforderung.

Welche Ergebnisse sind oder haben für die Praxis einen besonderen Stellenwert?

Werner Thumbs: Eigentlich müsste ich sagen: „alle“. Deshalb würde ich lieber nach Vorschlägen unterscheiden, die grundsätzlich und langfristig sind und solchen, die kurzfristig umsetzbar sind – auch bei diesen sind einige grundsätzlich. Bei Letzteren denke ich an Vereinfachungen, die sowohl die Finanzverwaltung als auch die Unternehmen extrem voranbringen und dann noch nicht mal etwas kosten. Das wären für mich vor allem das Modell einer einmaligen Registrierung eines ausländischen Lizenzgebers, auf die sich der inländische Lizenznehmer berufen könnte. Das würde wahrscheinlich abertausende von Registrierungen überflüssig machen und damit das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und die Unternehmen sehr entlasten. Außerdem muss es möglich sein, eine einheitliche Rechtsanwendung in der Betriebsprüfung zu erreichen, ohne dass sich Länder und BZSt nach unserem Eindruck öfter mal im Wege stehen. Das erfordert klare Kompetenzabgrenzungen. Das würde für alle das Leben leichter machen – und auch nichts kosten!

Oliver Nußbaum: Es ist nicht leicht, eine Abstufung der Vorschläge vorzunehmen. Vielmehr ist es für mich eine wichtige Erkenntnis, dass eine schnelle Übereinstimmung über die überfälligen Reformbaustellen erzielt werden konnte. Dies mag auch daran liegen, dass aufgrund des langen Reformstaus seit der letzten Steuerreform 2008 bereits viele Nachbesserungsvorschläge und Fortentwicklungen in anderen Gremien und in der Fachöffentlichkeit diskutiert wurden. Ich würde mir vielmehr wünschen, dass wir endlich die angestoßenen und längst überfälligen Reformvorschläge angehen und zeitnah umsetzen.

Was sind die besonderen Empfehlungen an die Politik? Wie kann die Politik die Arbeit der Expertenkommission umsetzen?

Oliver Nußbaum: Es ist sicherlich ein großer Vorteil, dass die Arbeitsgruppen sowohl aus Vertretern der Wissenschaft, als auch der Unternehmenspraxis zusammengesetzt wurden. So wurden strukturell richtige und zugleich praxisnahe Vorschläge zur Fortentwicklung des Steuerrechts erarbeitet, die teilweise unmittelbar, teilweise mit einem gewissen Vorlauf umgesetzt werden können.

Werner Thumbs: In der Tat: Der geänderte Blickwinkel und das verbreiterte Sehfeld helfen allen. Das weit verbreitete Misstrauen in der Politik gegen die Unternehmen an sich könnte vielleicht verringert werden, wenn wir in solchen und ähnlichen Formaten öfter miteinander reden. Das Umsetzen vieler Regelungen ist sehr einfach, teils vielleicht sogar ohne Gesetzesänderungen möglich. Und wir sollten alle nicht vergessen, dass Deutschland internationale Regelungen mitgestaltet und nicht einfach nur hinnehmen muss – und bei der Umsetzung bitte immer im internationalen Konsens bleiben sollte.

Das Interview führte Monika von Zedlitz, VCI-Onlineredaktion

Zum Bericht Bundesfinanzministerium - Besteuerung der Unternehmen – Einfacher und Effizienter

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RAin Chin Chin King

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