Europäische Arbeitsschutzrichtlinien überarbeitet

Ehrgeizige Ziele gesetzt

08. Mai 2024 | Bericht

Mit zwei überarbeiteten Richtlinien stärkt die EU den harmonisierten Ansatz zum Schutz von Beschäftigten vor gefährlichen Chemikalien.

Die EU hat Grenzwerte für die berufsbedingte Exposition gegenüber Diisocyanaten festgelegt. © (c) VCI/Daniel
Die EU hat Grenzwerte für die berufsbedingte Exposition gegenüber Diisocyanaten festgelegt. © (c) VCI/Daniel

Neuer EU-Schutz vor Blei und Diisocyanaten – seit Kurzem sind zwei überarbeitete europäische Richtlinien in Kraft, um die Gesundheit von Beschäftigten noch besser zu schützen: die „Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Exposition gegenüber karzinogenen, mutagenen oder reproduktionstoxischen Stoffen bei der Arbeit“ (CMRD) und die sogenannte Agenzien-Richtlinie zur Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe (CAD).

Nach intensiver Diskussion hat die EU damit die Grenzwerte für die berufsbedingte Exposition gegenüber Blei überarbeitet und verschärft. Für Diisocyanate wurden erstmalig Grenzwerte eingeführt. Diese neuen Arbeitsplatzgrenzwerte sind verbindlich. Bis zum 9. April 2026 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Richtlinien in nationales Recht umzusetzen und die erforderlichen Präventions- und Schutzmaßnahmen einzuführen. Die ambitionierten Vorgaben hat die EU auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse festgelegt.

Außerdem plant die EU für 22 weitere Stoffe neue verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte, die zu einer europäischen Harmonisierung führen werden. Deutschland verfügt bereits über ein sehr differenziertes und anerkanntes Arbeitsschutzsystem auf hohem Niveau – mit einem für Europa wegweisenden Regelwerk. Dennoch bleiben die europäischen Pläne nach Auffassung des VCI auch für deutsche Unternehmen eine große Herausforderung.

Neue europäische Grenzwerte für Blei und Diisocyanate

Der verbindliche Grenzwert für die berufsbedingte Exposition gegenüber Blei ist wie folgt gesenkt:

  • Beim Grenzwert für die Exposition am Arbeitsplatz von 0,15 Mikrogramm (mg) pro Kubikmeter (m3) auf 0,03 mg/m³.
  • Beim biologischen Grenzwert zunächst von 70 auf 30 Mikrogramm (9. April 2026) pro ml Blut und auf 15 Mikrogramm pro 100 ml Blut ab dem 1. Januar 2029.

Die festgelegten Maßnahmen zur Gesundheitsüberwachung bezüglich Blei konkretisieren die praktische Anwendung. Die EU-Kommission wird zudem beauftragt, innerhalb von zwei Jahren Leitlinien für die Gesundheitsüberwachung und zum Biomonitoring zu erarbeiten. Sie enthalten auch Empfehlungen zur Beobachtung des Blutblei-Spiegels.

Mit der Agenzien-Richtlinie wird erstmals ein verbindlicher Grenzwert für Diisocyanate am Arbeitsplatz eingeführt:

  • Ab dem 9. April 2026 und bis zum 31. Dezember 2028 gilt ein 8-Stunden-Grenzwert von 10 µg NCO/m³ (NCO – Funktionelle Gruppen der Isocyanate) sowie
  • ein Grenzwert für die Kurzzeitexposition (15 Minuten) von 20 µg NCO/m³.
  • Ab dem 1. Januar 2029 gilt ein angepasster Grenzwert 6 µg NCO/m³ (8-Stunden-Grenzwert) und ein Grenzwert für die Kurzzeitexposition von 12 µg NCO/m³.

Künftige Herausforderungen

Mit der verabschiedeten CMRD hat die EU-Kommission außerdem Prüfaufträge festgelegt, die endokrine Disruptoren und die Bewertung von Kombinationswirkungen von Expositionen im Arbeitsschutz betreffen. Die EU-Kommission wird eine wissenschaftliche Bewertung durchführen, ob endokrine Disruptoren explizit in den Anwendungsbereich der CMRD aufgenommen werden sollen. Dabei ist aus Sicht des VCI zu berücksichtigen, dass es sich bei der endokrinen Aktivität nicht um eine eigenständige schädliche Wirkung oder eine neue Art von toxischer Eigenschaft handelt, sondern um einen Wirkmechanismus, der zu schädlichen Wirkungen führen kann. Diese schädlichen Wirkungen werden bereits mit den bestehenden Kriterien zur Ableitung von Arbeitsplatzgrenzwerten erfasst.

Weiterhin wird die Kommission eine Bewertung der Exposition gegenüber einer Kombination von Stoffen einleiten, um gegebenenfalls europäische Leitlinien zur Vorgehensweise und Behandlung zu erstellen. Aus deutscher Sicht werden die nationalen Erfahrungen mit diesem Thema in die Diskussion eingebracht werden.

Weitere Arbeitsplatzgrenzwerte in Vorbereitung

Für 17 weitere Stoffe ist die Ableitung und Verabschiedung verbindlicher europäischer Arbeitsplatzgrenzwerte in Vorbereitung ( https://echa.europa.eu/de/oels-activity-list ); fünf weitere Stoffe werden noch 2024 von der EU-Kommission für den Start des Verfahrens festgelegt. Ziel ist die stufenweise Aufnahme der verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwerte in die CMRD in den nächsten Jahren.

Mit der „Roadmap on Carcinogens“ startete auf Initiative mehrerer Mitgliedstaaten 2016 die Intensivierung zur Verabschiedung harmonisierter und verbindlicher europäischer Arbeitsplatzgrenzwerte. Als wesentliches Ziel dieser Roadmap, dem sich auch das Europäische Parlament angeschlossen hat, sollten für die 50 bedeutendsten krebserzeugenden Gefahrstoffe EU-weit geltende Grenzwerte festgelegt werden. Dieses Ziel wird mit der Aufnahme der noch anstehenden Stoffe erreicht werden. Zukünftig ist daher zu erwarten, dass verstärkt Stoffe der Agenzien-Richtlinie, die keine CMR-Stoffe sind, für die Erstellung harmonisierter europäischer Arbeitsplatzgrenzwerte priorisiert werden.

Für die zukünftige Priorisierung weiterer Stoffe zur Ermittlung verbindlicher Arbeitsplatzgrenzwerte sollten stoffliche Erkenntnisse aus der REACH- und OSH-Regulierung genutzt werden. Damit verbunden ist auch die Entscheidung, ob Maßnahmen unter OSH oder regulatorische Maßnahmen unter REACH erforderlich sind, um die jeweils am besten geeigneten Maßnahmen auszuwählen.

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Dipl.-Ing. Bernd Berressem

Dipl.-Ing. Bernd Berressem

Arbeitsschutz, Gefahrstoffrecht, Arbeitsmedizin, Ausschuss für Gefahrstoffe