Innovationen für die Kreislaufwirtschaft

Chemisches Recycling im Blickpunkt

20. April 2021 | Bericht

Das chemische Recycling ist als Hoffnungsträger für die Stärkung des Recyclings in aller Munde. Für die Chemie- und Kunststoffbranche bieten die Technologien unter diesem Sammelbegriff die Chance auf einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Treibhausgasneutralität bis 2050. Deshalb wird intensiv an ihrer Weiterentwicklung gearbeitet. Höchste Zeit, um den Status quo zu beleuchten.

Chemisches Recycling soll bisher etablierte Recycling-Verfahren effektiv ergänzen. - Foto: © romaset/stock.adobe.com
Chemisches Recycling soll bisher etablierte Recycling-Verfahren effektiv ergänzen. - Foto: © romaset/stock.adobe.com

Die Kunststoffabfallmenge hat sich in den letzten 25 Jahren in Deutschland mehr als verdoppelt. Die Steigerung ist dabei fast ausschließlich auf den Anstieg im Post-Consumer-Bereich zurückzuführen. Von derzeit rund 5,35 Millionen Tonnen Kunststoffe, die in Endverbraucherabfällen enthalten sind, gehen etwa 39 Prozent ins Recycling und 61 Prozent in die energetische Verwertung.

Die Chemie- und Kunststofferzeuger haben sich der Kreislaufführung des Kohlenstoffs zum Ressourcen- und Klimaschutz verschrieben und möchten deshalb den Ausbau des Recyclings vorantreiben. Bisher wird das Recycling von Kunststoffen beinahe ausschließlich über mechanische Verfahren bewerkstelligt. Um weitere Potenziale zu heben, arbeitet die Industrie mit anderen Branchen der Wertschöpfungskette intensiv am Ausbau der Kreislaufwirtschaft. Dazu gehören neben der Optimierung des Produktdesigns und der Entwicklung effizienterer mechanischer Recyclingverfahren auch die Entwicklung chemischer Verfahren, die das bisherige etablierte Recycling effektiv ergänzen.

Neue Recycling-Technologien vorantreiben

Für den Ausbau des Recyclings kommen insbesondere die Mengen vermischter und verschmutzter Kunststoffabfälle in Betracht, die derzeit der energetischen Verwertung zugeführt werden. Vor allem bei nicht sortenreinen und nicht sauberen Abfallfraktionen gelangt das mechanische Recycling an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Denn die mechanisch oder physikalisch hergestellten Rezyklate benötigen ein Mindestmaß an Qualität mit definierten Spezifikationen, damit diese Werkstoffe vom Endproduktehersteller eingesetzt werden können. An dieser Stelle sehen Chemie- und Kunststofferzeuger im chemischen Recycling für die Zukunft eine wichtige Ergänzung.

Der europäische Chemieverband Cefic zählt derzeit 18 Pilotprojekte unter seinen Mitgliedern mit Blick auf das chemische Recycling. Zusammen mit Partnern aus der Wertschöpfungskette konnten dabei Produkte wie Lebensmittelverpackungen, Matratzen und Armaturen für Autos entwickelt werden. Die genannten Beispiele spiegeln wider, dass chemisches Recycling bis zuletzt nur in Einzelfällen mit ausgewählten Einsatzstoffen realisiert werden konnte. Als nächsten Schritt peilen die Unternehmen die Realisierung großtechnischer Anwendungen an, zum Beispiel von Pyrolyseverfahren, wobei Produktoptimierung und Skalierung besondere Herausforderungen darstellen.

VCI und PED engagieren sich außerdem gemeinsam mit Mitgliedsfirmen in Projekten des Bundesforschungsministeriums, die auch chemisches Recycling in den Blick nehmen. Das Pilotvorhaben „KUBA“ erforscht etwa, wie Kunststoffe aus der Bauwirtschaft in Kreisläufen genutzt werden können. Im Rahmen des neuen Forschungsvorhabens „KuRT“ beabsichtigen VCI und PED zudem, sich mit der Bewerbung zu einem konkreten Projekt zur Weiterentwicklung des chemischen Recyclings einzubringen. Das Projekt „KuRT“ hat die Verbesserung der Kreislaufführung von Kunststoffen durch intelligente Nutzungskonzepte für Kunststoffe sowie eine verbesserte Logistik und Sammlung und den Einsatz von hochwertigen Kunststoffrezyklaten zum Ziel.

Ein förderliches Umfeld schaffen

Für die erfolgreiche Weiterentwicklung des chemischen Recyclings spielen die politischen Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle. Deshalb setzen sich VCI und PlasticsEurope Deutschland (PED) für die Anerkennung chemischer Recyclingverfahren als Recycling im abfallrechtlichen Sinne und als Beitrag zur Erfüllung aller relevanten Recyclingquoten ein. Auf europäischer Ebene werden im Rahmen eines Aktionsplans aktuell die Weichen für die Kreislaufwirtschaft neu gestellt. Das chemische Recycling wurde im Aktionsplan der EU-Kommission beim Thema Forschungsförderung erwähnt und in einer Stellungnahme des Europäischen Parlaments aufgegriffen.

Neben Potenzialen sehen Politik und Öffentlichkeit aber auch offene Fragen. Umweltverbände machen dabei in Teilen gegen das chemische Recycling wegen einer vermeintlichen Bedrohung klassischer mechanischer Recyclingverfahren mobil. Entscheidend wird es sein, die Politik von der Ergänzung des mechanischen Recyclings durch chemische Recycling-Technologien zu überzeugen, um durch kombinierte Recyclingverfahren die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Dabei steht nicht allein die Entwicklung der Verfahrenstechnologie im Vordergrund, sondern auch die aktuelle Datenlage zur Umweltperformance der Verfahren. Hier gibt es noch Nachholbedarf.

Darüber hinaus setzen sich VCI und PED in der Forschungsförderung für die Errichtung von Demonstrations- und Pilotanlagen sowie sogenannter „Reallabore“ ein. Damit sollen Reifegrade erhöht und die Verfahren schließlich in der Praxis getestet werden.

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 Matthias Belitz

Matthias Belitz

Bereichsleitung Nachhaltigkeit, Energie und Klimaschutz

Dr. Martin Reuter

Dr. Martin Reuter

Energie- und Materialforschung, Forschungs- und Technologiepolitik